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Titel
Der Parlamentarische Rat 1948-1949. Akten und Protokolle. Band 13: Ausschuß für Organisation des Bundes/ Ausschuß für Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege


Herausgeber
Deutscher Bundestag; Bundesarchiv; Büttner, Edgar; Wettengel, Michael
Erschienen
München 2002: Oldenbourg Verlag
Anzahl Seiten
CXXXIX, 1608 S. in 2 Teilbänden
Preis
€ 138,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Reiner Pommerin, Institut für Geschichtswissenschaften, Technische Universität Dresden

Wer die Edition der Akten und Protokolle des Parlamentarischen Rats, deren erster Band im Jahr 1975 vorgelegt wurde, kennt, den wird es nicht wundern, dass auch die beiden Teilbände des Bandes 13 dem gewohnt hohen Standard der Gesamtedition entsprechen. Doch wohl nur wenige Insider werden wissen, dass die beiden Bearbeiter Büttner und Wettengel diese Leistung gleichsam in Nebentätigkeit, nämlich in der Freizeit der beiden Archivare, erbrachten. Dies erklärt unter anderem, dass die Bände der Edition seit nunmehr fast 30 Jahren lediglich in Abständen von mehreren Jahren, aber dennoch hoffentlich auch weiterhin, erscheinen. Dem Dank, den beide Bearbeiter ihrem Archivkollegen Dr. Wolfram Werner als "Spiritus rector" der Edition zukommen lassen, möchte der Rezensent sich gern anschließen, hat doch Werners stets freundliche Hilfestellung auch so manchem Historiker im Bundesarchiv den richtigen Weg gewiesen. Editionstätigkeit und wissenschaftliche Veröffentlichungen unterscheiden eben die Qualität der Archivare der Bundesrepublik von der ihrer Kollegen in vielen anderen Staaten: Sie sehen sich eben nicht nur, jedenfalls bisher, als bloße "Verwalter" von Archivalien.

In die Protokolle der beiden Ausschüsse, denn nur für einen kurzen Zeitraum traten beide Ausschüsse als ein so genannter Kombinierter Ausschuss mit 22 stimmberechtigten Mitgliedern zusammen, führt eine kompetente und gekonnte Einleitung der beiden Bearbeiter ein. Der Ausschuss für Organisation des Bundes hatte naturgemäß eine besonders große Last zu schultern, befasste er sich doch mit der gesamten Struktur des Bundes, also mit der Zusammensetzung und Bildung der wesentlichen Staatsorgane. Aber auch der Ausschuss für Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege musste wichtige Grundentscheidungen vorbereiten. Die prominenteren Mitglieder beider Ausschüsse konnten augrund ihrer zahlreichen Aktivitäten in den Fraktionen, Parteien und ihrer Mitgliedschaft in anderen Ausschüssen nicht bei allen Sitzungen anwesend sein. Häufig wurden daher Stellvertreter entsandt und auch Gäste, Sachverständige und Eingaben herangezogen.

Protokolliert wurden die Sitzungen der Ausschüsse von erfahrenen Parlamentsstenographen und die Protokolle vor der Endfassung noch einmal überarbeitet. Von den beiden konstituierenden Sitzungen der Ausschüsse liegen, wie in den Fachausschüssen des Parlamentarischen Rats auch sonst üblich, lediglich Kurzprotokolle vor. Die meisten Wortprotokolle lagern im Original im Bundesarchiv. Herangezogen wurden für die Edition noch Bestände des Parlamentsarchivs sowie einige im Bundestag befindliche Nachlässe von Ausschussmitgliedern. Außer den Protokollen finden sich noch weitere 20 Dokumente. Dies sind zumeist von den Ausschüssen beratene und beschlossene Artikel, die als Anlagen zu den Kurzprotokollen vervielfältigt wurden.

Zu den insgesamt 32 Sitzungen des Organisationsausschusses trafen sich, wie bereits erwähnt, neben den in ihn entsandten 13 Abgeordneten des Parlamentarischen Rats oft auch Gäste aus den Fraktionen. So nahm beispielsweise der frühere Reichstagspräsident Paul Löbe an 16 Sitzungen teil und konnte dabei seine Erfahrungen besonders für den Bereich des künftigen Bundestages einbringen. Den Vorsitz des Ausschusses hatte mit großer Souveränität der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf Dr. Dr. h.c. Robert Lehr inne, dessen ausgeprägtes Vermittlungsgeschick Kompromisse erleichterte. Die schon im Verfassungsentwurf von Herrenchiemsee vorbereiteten Themen Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung sowie Bundespräsident befassten den Ausschuss intensiv.

Der Entwurf von Herrenchiemsee hatte entweder einen Bundespräsidenten mit Beschränkung auf repräsentative Aufgaben oder ein Bundespräsidium vorgesehen. Dieses sollte aus drei Personen, den Präsidenten des Bundestages sowie des Bundesrates und dem Bundeskanzler bestehen. Die Entscheidung fiel überraschend schnell für die Einführung eines Bundespräsidenten. Doch so einig sich die Abgeordneten dahingehend waren, dass dieser eine im Vergleich zum Reichspräsidenten der Weimarer Republik geschwächte Stellung inne haben sollte, so uneinig waren sie sich in der Frage seiner Wahl. Eine plebiszitäre Wahl kam nach den Erfahrungen von Weimar allerdings nicht mehr in Frage. Der Herrenchiemseer Entwurf hatte deshalb getrennte Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat vorgesehen. Falls mit diesen Abstimmungen keine klare Übereinstimmung zu erzielen war, sollte eine besondere Wahlversammlung aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates den Präsidenten wählen. Nach längeren Auseinandersetzungen und über das Zwischenstadium des Vorschlags zur Einberufung eines Wahlkonvents kam der Ausschuss schließlich zu der Lösung, für die Wahl des Bundespräsidenten eine Bundesversammlung einzuberufen. Dieser Vorschlag des Ausschusses fand am 30. November 1948 die Billigung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rats, und er bildete die Grundlage für den Artikel 54 des Grundgesetzes.

Den Vorsitz des Ausschusses für Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege übernahm der Justizminister des Landes Hessen, Dr. h.c. Georg August Zinn. Die Bearbeiter der Edition konnten für ihren Band den noch in Privathand befindlichen Nachlass von Zinn einsehen. In nur zehn Sitzungen und in insgesamt 24 Stunden legte der Ausschuss die Basis sowohl für die Gestaltung des Bundesverfassungsgerichts als auch für die Artikel 92 bis 104 des künftigen Grundgesetzes im Bereich der Rechtsprechung. An den Sitzungen des Ausschusses für Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege nahmen regelmäßig etwa zehn Abgeordnete des Parlamentarischen Rats teil. Die spezifisch juristischen Themen hatten zur Besetzung des Ausschusses mit Juristen geführt, wenn vom Abgeordneten Heile, der allerdings selten an den Sitzungen teilnahm, einmal abgesehen wird.

Die wenigen Eingaben, so von Seiten der Gewerkschaften zum Thema Bundesarbeitsgericht und von Seiten der Oberlandesgerichtspräsidenten zur Bereichen der Gerichtsbarkeit, hatten keinen nennenswerten Einfluss auf den Ablauf der Beratungen. Deren Hauptthemen stellten neben dem Bundesverfassungsgericht die Rechtsstellung der Richter, die Anstellung der Richter und die Richterwahl, die Richteranklage sowie die Grundrechtsnormen der Rechtspflege dar. Hier nahmen als Sachverständige beispielsweise der Präsident des deutschen Obergerichts für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet, Dr. Herbert Ruscheweyh, und der Präsident des Obersten Gerichtshofs der Britischen Zone in Köln, Dr. Ernst Wolff, an Sitzungen teil.

Insgesamt wird auch aus der Lektüre der Protokolle dieser beiden Ausschüsse noch einmal deutlich, dass die parteipolitische Zugehörigkeit der Abgeordneten der beiden Ausschüsse wie auch in anderen Ausschüssen des Parlamentarischen Rats sowie in dessen Hauptausschuss bei der Suche nach vernünftigen Kompromissen noch keine große Rolle oder gar ein unüberwindbares Hindernis darstellte. Aus den in der Weimarer Republik und mit dem Nationalsozialismus gemachten Erfahrungen hatten alle Abgeordneten gelernt, und sie suchten daher nach Mitteln, die Stabilität der neuen Demokratie in Deutschland gemeinsam zu sichern. Freiräume gegenüber den Besatzungsmächten zu erhalten, war allerdings offensichtlich allen Abgeordneten wichtig.

Ein Abkürzungsverzeichnis, ein Personen- und ein Sachindex sowie ein umfangreiches Verzeichnis der gedruckten Quellen und Literatur ermöglichen schnelles Nachschlagen und Information.

Wer sich mit der Neugründung der parlamentarischen Demokratie in Deutschland nach 1945 sowie mit dem Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland befassen will, sollte die Genesis der Organisation des Bundes und des Grundgesetzes kennen. Die Edition zu den Akten und Protokollen des Parlamentarischen Rats bietet dazu eine wichtige und zuverlässige Basis, auch der Band 13 liefert hierzu erneut einen weiteren Grundstein.

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